Auf verschneiten und rutschigen Bergstraßen sind Schneeketten seit Jahrzenten verpflichtend in der gesamten Alpenregion. Auch in Österreich deutet das blaue Verkehrszeichen mit der Schneekette daraufhin, dass ab diesem Schild Traktionshilfen zusätzlich auf die Reifen aufgezogen werden müssen. In Frankreich und in der Schweiz dürfen seit Jahren Alternativen zu Schneeketten, wie z.B. Schneesocken oder textile Schneeketten, verwendet werden. Allerdings darf man diese Produkte nicht in Österreich bei entsprechender Kettenpflicht aufziehen. Erfahre in diesem Artikel mehr über die rechtliche Situation um die Schneekettenpflicht in Europa, den Einfluss der EU-Norm EN16662-1 und warum Österreich ein Sonderfall für Europa darstellt.
Wie ist die Schneekettenpflicht in Europa und Österreich geregelt?
Die Nutzung von Wintertraktionshilfen für PKW ist in der EU nicht harmonisiert und jedes Land entscheidet unabhängig vom Nachbarn über Anforderungen an Schneeketten und andere Traktionshilfen. Um hier eine gemeinsame Basis für die EU zu schaffen, wurde vor 15 Jahren eine CEN-Arbeitsgruppe (Europäisches Institut für Normung) gebildet. Die Mitglieder dieser Arbeitsgruppe sind Experten für Wintertraktion, Reifen und Fahrzeugbau sowie Prüf- und Zertifizierungsinstitute und erarbeiteten einen gemeinsamen europäischen Standard.
Nach zehn Jahren wurde der europäische Standard EN16662-1:2020 offiziell im Sommer 2020 verabschiedet. Qualitativ hochwertige Alternativprodukte wie z.B. AutoSock sind bereits seit 2020 nach diesem neuen europäischen Standard zertifiziert.
Implementierung des neuen EU-Standards EN16662-1 in Europa
Bis zum Ende des Jahres 2020 musste dieser neue Standard in allen EU und CEN-Mitgliedsstaaten in das jeweilige nationale Normenwerk aufgenommen werden. So wurde zum Beispiel in Deutschland die DIN EN 16662-1 bereits im Juli 2020 veröffentlicht. Auch Nicht-EU-Länder wie die Schweiz, Norwegen und die Türkei haben den neuen Standard in ihr nationales Normenwerk aufgenommen und veröffentlicht. Österreich war hier keine Ausnahme und publizierte die entsprechende ÖNORM EN16662-1 ebenfalls im Juli 2020. Ergänzend zur Einführung dieses neuen Standards mussten alte, bis dahin geltende nationale Normen zurückgezogen werden, da diese durch den neuen europäischen Standard ersetzt wurden.
Die Alpenrepublik als Sonderfall: Österreichische ÖNORM V5117 abgelöst durch neue EU-Norm (eigentlich)
Einer dieser alten, nationalen Standards war in Österreich die ÖNORM V5117, welche Ende 2020 zurückgezogen wurde. Diese ÖNORM beschrieb im Detail die Anforderungen an Wintertraktionshilfen. Ein wesentlicher Bestandteil dieser Norm war, dass diese nur für Traktionshilfen mit / aus Metall gültig war. Produkte aus anderen Materialien wie z.B. Schneesocken aus technischen Textilien, konnten nicht nach diesem Standard zertifiziert werden. Historisch betrachtet ist dies vollkommen verständlich, da es bei der Veröffentlichung der ersten ÖNORM 5117 im Jahr 1986 keine Alternative zu Metallketten gab. Gleiches gilt für die blauen Schneeketten Straßenschilder, die seit Jahrzenten zum Einsatz kommen. Diese Schilder zeigen in einigen Ländern (z.B. Italien) eine veraltete Leiterkette, die den heutigen strengen Anforderungen gemäß EN16662-1 kaum genügen würde.
Österreich ersetzte zwar im Jahr 2020 den alten Nationalen Standard ÖNORM V5117 durch die neue Europäische Norm in seinem nationalen Normenwerk, jedoch wurde diese neue Norm bis heute nicht in die entsprechende rechtliche Regelung zur Schneekettenpflicht (Kraftfahrgesetz-Durchführungsverordnung (KDV)1967, §4 (7)) aufgenommen. Dies ist verwunderlich, da der neue Standard sogar höhere Anforderungen an Schneesocken, Schneeketten und sonstige Traktionsprodukte stellt, als es der alte nationale Standard für Schneeketten tat: Laut EN16662-1 muss eine Traktionsprüfung am Berg durchgeführt werden. Einen solchen oder ähnlichen Steigungstest gab es in der alten ÖNORM V5117 nicht.
Unklare österreichische Rechtsprechung sorgt für Verwirrung bei Firmen und Millionen von Autofahrern
Noch Jahre nach der Einführung der EN16662-1 in Österreich blieb der Verweis auf die zurückgezogene ÖNORM V5117 in der Rechtsvorschrift bestehen.
Dort hieß es: „(7) In den Geltungsbereich der ÖNORM V5117 September 2007 oder der ÖNORM V 5119 Mai 2008 fallende Schneeketten müssen diesen ÖNORMEN entsprechen, sofern es sich nicht um gleichwertige Produkte aus anderen EU-Mitgliedstaaten handelt. Schneeketten, die der ÖNORM V5117 September 2007 oder ÖNORM V 5119 Mai 2008 in einer früheren Fassung entsprechen, dürfen weiterhin feilgeboten werden.“ (Quelle: https://www.ris.bka.gv.at/eli/bgbl/1967/399/P4/NOR40215452 European Legislation Identifier (ELI))
Dieser Bezug auf einen zurückgezogenen Standard (ÖNORM V5117 September 2007) führte bei Autofahrern und Herstellern von alternativen Traktionsprodukten zu Verwirrung. Zur Klärung der Lage fragte u.a. der norwegische Hersteller AutoSock Operations AS im Jahr 2021 beim zuständigen Ministerium in Österreich nach: Im Sommer 2022 kam die Antwort, dass AutoSock und andere Traktionsprodukte in Österreich nicht bei Schneekettenpflicht eingesetzt werden dürfen, da es sich nicht um Schneeketten aus Metall handele und nur diese zugelassen seien.
Diese Antwort überraschte, da der neue europäische Standard EN16662-1:2020 Mindeststandards bezüglich Sicherheit, Traktion und Haltbarkeit für alle Produkte setzt – egal aus welchem Material diese hergestellt werden. Es gelten laut EN-Standard also die identischen Anforderungen für Schneeketten und Schneesocken – hier wird kein Unterschied gemacht.
Der Erfinder von textilen Wintertraktionshilfen reicht Beschwerde gegen den Bescheid ein – Unklare juristische Zuständigkeiten
Der Hersteller von AutoSock Schneesocken akzeptierte diese Antwort des Ministeriums nicht und reichte Beschwerde gegen den Bescheid ein. Das zuständige Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie leitete die Beschwerde an das Verwaltungsgericht Wien weiter.
3 Monate später stellte das Verwaltungsgericht Wien fest, dass es für die Beschwerde nicht zuständig sei, und leitete diese an das Bundesverwaltungsgericht weiter.
Nach weiteren 3 Monaten stellt das Bundeverwaltungsgericht fest, dass es ebenfalls nicht zuständig sei und deshalb die Beschwerde als unzulässig zurückweise.
In der Sache wurde bis dahin nicht entschieden und so erhob der norwegische Hersteller der AutoSock Schneesocken eine außerordentliche Revision vor dem Verwaltungsgerichtshof in Österreich, um die gerichtliche Zuständigkeit zu klären und eine Entscheidung herbeizuführen.
Ein Jahr später, im Frühjahr 2024, bestätigte der Verwaltungsgerichtshof die Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts in der Sache nicht zuständig zu sein. Somit wurde die ursprüngliche Beschwerde von 2022 wieder an das Verwaltungsgericht Wien weitergeleitet. Dies ist der aktuelle Stand zur Veröffentlichung dieses Artikels im August 2024.
Mit einer Entscheidung bezüglich der Beschwerde ist in den kommenden Monaten zu rechnen. Bis dahin bleibt die Rechtslage in Österreich unklar und es gilt die Aussage der entsprechenden Abteilung im Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie, dass nur Schneeketten aus Metall bei Schneekettenpflicht in Österreich zugelassen sind.
Wie ist die Schneekettenpflicht in anderen Staaten der Alpenregion geregelt?
Österreich ist für Winterurlauber und Bergtouristen nicht das einzige Ziel in Europa. Wie sieht es mit der Akzeptanz von Schneesocken in Österreichs Nachbarländern aus?
Die Schneekettensituation in Frankreich
In Frankreich werden Schneesocken wie AutoSock als legale Alternative zu Metallketten bei Schneekettenpflicht schon seit über 10 Jahren anerkannt. Sobald das blaue Verkehrsschild mit der Schneekette ( „Panneau B26“ ) am Straßenrand erscheint, sind Schneeketten oder akzeptierte Alternativen wie Kunststoffketten oder Schneesocken an den Antriebsrädern des Fahrzeugs anzulegen.
Seit 2 Jahren gibt es zusätzlich definierte Gebiete, in denen spezielle Bergwinterfahrregeln gelten („Loi Montagne“). Hier müssen zwingend Winterreifen oder Schneeketten/Schneesocken auf Sommerreifen eingesetzt werden. Auch hier sind Produkte wie AutoSock als Alternative zur Schneekette uneingeschränkt zugelassen.
Wie ist die Regelung bei textilen Schneeketten in Italien?
Wie auch Österreich und alle anderen EU-Länder hat Italien den neuen europäischen Wintertraktionsstandard EN16662-1 als nationalen Standard UNI EN16662-1 implementiert und somit offiziell Ihren bisher geltenden Standard UNI 11313 ersetzt. Der seit 2009 gültige alte Standard ist weitestgehend identisch mit dem alten österreichischen Standard ÖNORM V5117. Anders als Österreich, akzeptiert Italien bereits seit 2022 alternative Traktionsprodukte, die gemäß EN16662-1 geprüft sind. Somit sind Schneesocken wie z.B. AutoSock in Italien eine legale Alternative zu klassischen Schneeketten bei Kettenpflicht.
Welche Regelung gilt in der Schweiz bei Schneekettenplicht?
Die Schweiz gehört zwar nicht zur EU, ist jedoch Mitglied beim CEN und hat den neuen Europäischen Standard ebenfalls als Schweizer Nationalstandard eingeführt. Allerdings gilt in der Schweiz weiterhin eine davon unabhängige Vorschrift bezüglich der Akzeptanz von Schneeketten und deren Alternativen. Neben klassischen Schneeketten sind in der Schweiz tatsächlich nur wenige andere, hochwertige Traktionsprodukte wie zum Beispiel die Schneesocken von AutoSock als legale Alternative bei Schneekettenpflicht zugelassen.
Hauptvorteil von Schneesocken gegenüber Metallketten: die einfache Anwendung
Der Vorteil von Schneesocken und anderen, innovativen Alternativen zu klassischen Schneeketten, liegt in den einfachen Anwendungen. Viele Autofahrer trauen sich die Montage von Metallketten unter widrigen Wetterbedingungen und eisiger Kälte nicht zu und versuchen, das Aufziehen von Schneeketten so lange wie möglich zu vermeiden. Dieses kann ein erhebliches Sicherheitsrisiko darstellen: Der Autofahrer kann sich und andere Verkehrsteilnehmer erheblichen und unnötigen Gefahren aussetzen. Bei Schneesocken wie zum Beispiel AutoSock ist das Montieren der Socken in wenigen Minuten auch für ungeübte Anwender ohne Probleme möglich und trägt somit zu erhöhter Sicherheit auf verschneiten und glatten Straßen bei.
Sie haben noch nie von textilen Schneeketten gehört? Dann lesen Sie hier, was Schneesocken sind, warum Sie sie brauchen und wie Sie sie verwenden.
Akzeptanz der EN16662-1 in Österreich: eine Zusammenfassung
Bis zu einer finalen gerichtlichen Klärung gilt in Österreich die Aussage des entsprechenden Bundesministeriums, dass ausschließlich Schneeketten und keine alternativen Produkte bei Schneekettenpflicht zugelassen sind. Es dürfen lediglich Metallketten die gemäß EN16662-1 oder dem älteren Nationalstandard ÖNORM V5117 freigeprüft sind, eingesetzt werden. Hierbei gilt es zu beachten, dass die in der EN 16662-1 aufgeführten Anforderungen an Schneeketten und alternative Traktionsprodukte strenger sind als die Anforderungen des alten, nur für metallische Schneeketten konzipierten, nationalen Standard ÖNORM V5117. Obwohl Produkte wie Schneesocken oder Kunststoff/ Polymerketten den Anforderungen des neuen Europäischen Standards EN16662-1 entsprechen, werden diese in Österreich Stand August 2024 bei Schneekettenpflicht nicht akzeptiert.
Nach dem alten, weniger strengen Standard ÖNORM V5117 geprüfte Schneeketten dürfen aber weiterhin bei Schneekettenpflicht in Österreich ohne Einschränkung eingesetzt werden.
Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass Alternativen zur Schneekette, wie zum Beispiel Schneesocken von AutoSock, sehr wohl in Österreich bei Straßenglätte eingesetzt werden dürfen. Lediglich wenn das blaue Schneekettenschild erscheint und somit Schneekettenpflicht herrscht, dürfen nach heutigem Stand ausschließlich Schneeketten und keine alternativen Produkte wie Schneesocken eingesetzt werden.